Geschichte der Erwerbslosenarbeit in Deutschland seit den 70er Jahren
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Die Evangelische Kirche hat als erste Organisation in Deutschland das Problem der
Massenarbeitslosigkeit erkannt und Gegenmaßnahmen ergriffen. Die ersten Arbeitslosenprojekte gab es
1974/75. 1977 existierten 50 zumeist evangelische Projekte. Allerdings gab es seit 1976 auch eine der
ersten unabhängigen Erwerbsloseninitiativen, die AGAB (Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürger in
Bremen). Die erste Gruppe, die sich dem sozialrevolutionären Ansatz verpflicht fühlte und sich selbst
als "autonome Sozialbewegung" verstand, nannte sich "Initiative Arbeitsloser- Sozialhilfeempfänger-
Jobber- Ausländer". Die Gründung erfolgte 1980/81. Das Symbol der autonomen Jobber-und
Erwerbsloseninitiativen war die Schwarze Katze. Initialzündung zur Gründung von
Erwerbslosenprojekten hatte der 1. Bundeskongreß der Erwerbslosen 1982. In dem Zeitraum 1982-84
verdoppelte sich die Anzahl der Projekte von 250 auf 540. Bis zum 2. Bundeskongreß der Erwerbslosen
1988 erhöhte sich die Anzahl auf 1125 Arbeitslosenprojekte. Einen weiteren Schub gab es dann mit
der Wiedervereinigung. Auch in den neuen Bundesländern wurde das Thema Erwerbslosigkeit relevant,
es entstanden Arbeitslosenzentren. Erster bedeutender Träger von Arbeitslosenarbeit in der
ehemaligen DDR war der ALV (Arbeitslosenverband). Im Gegensatz zu den unabhängigen Initiativen, die
von unten wuchsen, wurde dieser Verband von oben nach unten aufgebaut. Der Präsident des
Arbeitslosenverbandes Klaus Grehn nutzte seine Kontakte und die Infrastruktur von SED und FDGB, um
in nahezu allen Kreisstädten Beratungsstellen oder Arbeitslosenzentren zu installieren.
Die Mitarbeiter kommen häufig aus dem akademischen oder Verwaltungsbereich und haben als ältere
Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr, eine Nähe zur ehemaligen SED, heute PDS ist
zumeist gegeben, Grehn war PDS-Bundestagsmitglied. Aus Kritik an dem Zentralismus des ALV
spalteten sich die Arbeitsloseninitiativen Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern ab.
Auch kirchliche Erwerbslosenarbeit entstand in den neuen Bundesländern, gestaltete sich aber
schwierig. Eine 4.Form der Arbeitslosenarbeit neben den kirchlichen, unabhängigen und
ALV-Projekten ist die gewerkschaftliche Erwerbslosenarbeit. Die Organisation Erwerbsloser ging an
den Gewerkschaften lange vorbei, sie entdeckten das Problem Erwerbslosigkeit relativ spät.
1985 wurde die "Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen" geschaffen. Das ist
ein Informationsbüro, das den innergewerkschaftlichen Informations-und Erfahrungsaustausch in
Gang setzte und am Leben erhielt. Im Jahre 1995 existierten 515 gewerkschaftliche und
gewerkschaftsnahe Projekte. 1/3 aller Arbeitslosenprojekte seien heute gewerkschaftsnah. Im
gewerkschaftlichen Selbstverständnis dominieren aber immer noch die vollzeit-und
dauerbeschäftigten Facharbeiter. Erwerbslose haben kaum Einfluß in den Gewerkschaften.
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