31. Die schwindenden Abwehrkräfte der Arbeitswelt
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Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre fehlt es an alternativen Analysemodellen und soliden
Gegenargumenten seitens der Gewerkschaften gegen die Neuausrichtung der Arbeit. Das hat auch was mit
dem Bedeutungsverlust der Gewerkschaften zu tun. Der CGT laufen innerhalb von 20 Jahren mehr als 3/4
ihrer Mitglieder weg (von 420.000 runter auf 80.000!). Besonders gravierend ist der fehlende
gewerkschaftliche Organisationsgrad bei Jüngeren unter 25. Je schwächer die gewerkschaftliche
Verankerung in den Betrieben und Regionen ist, desto stärker ist der repressive Druck der Arbeitgeber
auf die verbliebenen Gewerkschafts- und Betriebratsmitglieder. Die Auslagerung, das Out-sourcing war
häufig mit der Neugründung von Fabriken ohne Gewerkschaftsmitglieder verbunden. Das faktische
Organisationsverbot der Beschäftigten führte besonders bei den prekär bzw. unsicher Beschäftigten zu
einem Organisationsgrad von nur 3%. Zudem wurde die innerbetriebliche Solidarität durch die
Individualisierung der Entlohnung und Arbeitszeit weiter unterminiert und das
Konkurrenzbewusstsein auch zwischen den Abteilungen und Gruppen prämiert, was nur schwerlich ein
geschlossenes und kämpferisches gewerkschaftliches Bewusstsein entwickeln lässt (324). Die
Gewerkschaften traben zudem den Initiativen und Gesetzesvorschlägen seitens der Unternehmer und
der Regierung in den 80er Jahren eher hinterher. Die CFDT unterstützt in vielen Punkten die
(z.B. in Fragen der Teilzeit) Gesetzesinitiativen der sozialistischen Regierung und überrumpelt
damit häufig ihrer eigene Betriebsbasis. Bei der Ausarbeitung von Sozialplänen, bei der
kontroversen Einschätzung der von den Managern neu geschaffenen "Qualitätszirkel" in den
Betrieben kommt es zu heftigen innergewerkschaftlichen Debatten, die quer durch die CGT und CFDT
gehen und in denen sich die Funktionäre zumeist durchsetzen auf Kosten der Basis."Die mehr oder
weniger aktive Beteiligung an den Umstrukturierungsprozessen hat die Aktion der Basiszellen fast
systematisch diskreditiert".(B/C,327) Die Krise der Gewerkschaften ist daher z.T. hausgemacht.
Die Funktionäre in der CGT werden nicht von der Basis gewählt sondern von oben bestimmt. Die
Basisaktivisten werden im Zuge der Professionalisierung und Stärkung der Funktionäre an den
Rand gedrängt. Die CFDT lehnt sich ab 1983 wieder stärker an die sozialistische Partei
Mitterands an und vertieft somit den Grabenkrieg mit der CGT noch zusätzlich. Da die Regierung
in den 80er Jahren die Einführung von Berufsfunktionären in den Betrieben fördert, kommt es zu
einer weiteren Entfremdung zwischen Basis und Funktionären innerhalb der Gewerkschaften. "Das
Ende der Gewerkschaften bedeutet zuerst das Ende der Gewerkschaftsaktivisten" (Labbe,
B/C 336) an der Basis. Nicht mehr die betrieblichen Belange der Beschäftigten stehen im
Vordergrund sondern die nächsten Betriebswahlen. Insbesondere die CGT setzte weiterhin auf
den "großen Kladderadatsch", auf die finale Krise des Kapitalismus und die
"Systemwidersprüche", ohne zu sehen, dass auch aufgrund ihrer Kritik aus den 70er Jahren
die Arbeitsorganisation grundlegend verändert wurde, der Kapitalismus sich modernisiert
hatte und Teile der Kritik an der starren und erniedrigenden Kommandowirtschaft des 2.
Geistes des K. inkorporierte. "Während die Gewerkschaften sich, wie es eine professionellere
Gewerkschaftsarbeit zeigt, in manchen Punkten schnell weiterentwickelt haben, haben sie in
anderen Bereichen eine erschreckende Trägheit an den Tag gelegt und sich z.B. als unfähig
erwiesen, ihre Doktrinen und Analysen zu modernisieren, obwohl sich doch die Arbeitswelt
grundlegend veränderte", resümieren B/C (336). Oder noch allgemeiner auf die dialektische
Beziehung von Kritik und Gesellschaftsentwicklung übertragen: "Die Welt hatte sich zum Teil
unter dem Eindruck der Kritik verändert. Die Kritik jedoch brauchte Zeit, um sich zu ordnen
und um sich ihren neuen Aufgaben zu stellen." (B/C,338).
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